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„Bitte einsteigen - kreatives Schreiben im Bus"

Ein Projekt des Theodor-Heuss-Kollegs im Rahmen der Bosch Stiftung



Um über das Projekt zu erzählen, das ich im vorigen Jahr mit Martin Fleschenberg organisiert und in Lublin durchgeführt habe, muss ich mit den Sommerferien 2006 anfangen. Noch im Frühling habe ich mich für die Teilnahme am THK-Sommerseminar beworben. Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, dass es in Warschau stattfinden und mir ermöglichen wird, irgendwann mein eigenes Projekt zu verwirklichen. Das Leitthema des Seminars war ‚Konsumgesellschaften in Ost und West'. Eine Woche lang haben wir uns im Rahmen eines Workshops mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die danach folgende Woche haben wir in Białobrzegi, ein kleiner Erholungsort am Zegrzyński-See, verbracht. Weit weg vom Lärm und Krach der Hauptstadt konnten wir uns auf das Ausdenken und Planen unserer eigenen Projekte konzentrieren. Jeder von uns hatte freie Hand und konnte etwas erschaffen, das mit seinen Interessen übereinstimmte. Es war natürlich auch erlaubt, und sogar empfohlen, dass wir in Gruppen zu zwei oder drei Personen arbeiten, um internationale Veranstaltungen zu planen. Auf diese Weise ist die Idee eines deutsch-polnischen Workshops zum kreativen Schreiben in Lublin entstanden. Martin, ein Student der Sprechwissenschaften aus Halle, war für diese Idee ähnlich begeistert wie ich. Wir begannen also, genauer darüber nachzudenken, zu planen und mit anderen Teilnehmern darüber zu sprechen. Die Arbeit im THK-Sommerseminar baut eben gerade auf den ständigen Erfahrungs- und Ideenaustausch mit Anderen. Am Ende des Aufenthalts haben wir den THK-Seminarantrag ausgefüllt und den Kostenvoranschlag beigelegt. Nach zwei schönen Wochen, die wir zusammen verbracht hatten, mussten wir uns voneinander verabschieden und nach Hause zurückfahren.


w_lwowie_400Noch während der Sommerferien haben wir (Martin und ich) die Nachricht bekommen, dass unser Antrag positiv eingestuft wurde. Das bedeutete, dass wir ein Projektstipendium und eine Einladung zum Vorbereitungsseminar nach Lviv bekommen haben. Dort sind die wichtigen Entscheidungen bezüglich unseres Projektes gefallen: genaues Datum, Dauer, Teilnehmerzahl. Wir hatten nicht viel Zeit, um Einzelheiten zu besprechen und waren uns dessen bewusst, dass nach der Rückkehr nach Hause unsere Kommunikation auf E-Mails und Telefongespräche eingeschränkt sein wird. Es war also schon sinnvoll, möglichst viel vor Ort in Lviv zu besprechen und zu klären.


Im Oktober und November wurden konkrete Projektvorbereitungen getroffen. Wir mussten Teilnehmer finden, die Reise von Halle nach Lublin organisieren, uns in das Thema Kreatives Schreiben einlesen und jeden einzelnen Tag planen.


Im Dezember sind wir in die nächste Phase eingetreten - die Projektdurchführung. Alles haben wir in langen Telefongesprächen geplant. Wenn dem Anderen gerade die Ideen ausgingen, haben wir uns auf diese Weise auch gegenseitig motiviert. Martin ist einen Tag früher nach Lublin gekommen, um mit mir vor Ort Organisatorisches zu erledigen. Am nächsten Tag sind die Anderen aus Halle gekommen: Sindy, Susanne und Lukas. Dorothea haben wir in Lublin gefunden, weil sie gerade an der dortigen Katholischen Universität ein Auslandssemester absolviert hat. Insgesamt waren wir zehn Personen, fünf Deutsche und fünf Polen. Zwei polnische Teilnehmerinnen, Agata und Monika sind UMCS-Studentinnen. Michał, Iwona und ich studieren an der KUL. Das, was uns zweifellos gemeinsam war, war das Germanistikstudium. Unsere deutschen Gäste, außer Sindy konnten der polnischen Sprache bedienen, was uns die Zusammenarbeit erheblich erleichtert hat und uns viele Möglichkeiten eröffnete.


kolorowy_trolejbus_400Der Hauptgedanke des Projektes war das kreative Schreiben. Nach einer Inspiration haben wir in den Lubliner Nahverkehrsmitteln gesucht. Busse und Oberleitungsbusse sind ausgezeichnete Plätze, um Situationen im alltäglichen Leben der Stadt zu beobachten. Der Bus fährt durch die Stadt, die Umgebung hinter dem Fenster wechselt ständig, neue Menschen steigen ein, alles ist in Bewegung. Hier kann man Augenzeuge vieler interessante Gespräche und Alltagssituationen werden. Dank unserer deutschen Besucher hatten wir Gelegenheit, etwas über die Unterschiede zwischen polnischen und deutschen Verhältnissen in diesem Lebensbereich zu erfahren. Es hat sich beispielsweise herausgestellt, dass in deutschen Bussen das Aufstehen und freiwillige Freigeben eines Platzes nicht in dem Maße verbreitet ist wie in Polen. An dieser Stelle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Busse meist nicht so voll sind wie bei uns. Deshalb ist auch Bedürfnis nach freien Plätzen seltener zu spüren. Eine gewisse Überraschung für unsere deutschen Gäste war auch die Art und Weise, wie die Fahrkarten von dem meist entfernten Plätzen im vollen Bus zum Entwerter gelangen. Sie werdenpraca_400 einfach von den Passagieren weitergereicht und erst nach einer Weile dem Besitzer zurückgegeben. Während des Workshops konnten wir noch viele ähnliche Beobachtungen austauschen. Darüber kann man auch in unseren Texten lesen, die größtenteils über Alltagsthemen und Busfahrten handeln. Die Tatsache, dass die deutschen Teilnehmer bei den polnischen Unterkunft gefunden hatten, hatte auch eine wichtige integrierende Funktion. Dadurch konnten wir uns in kürzerer Zeit noch besser kennen lernen. Diese Idee sollte ursprünglich nur die Gesamtkosten des Projektes senken. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass viel mehr als nur eine Geldersparnis erreicht wurde.


Unsere Workshopsarbeit teilte sich in drei Phasen. Zuerst ging es um die Textproduktion, dann die Übersetzung und am Ende um das Sammeln von Präsentationsvorschlägen. Im ersten Teil haben wir kurz die Theorie und die Methoden bezüglich des kreativen Schreibens besprochen. Es sollte dadurch das breite Spektrum der Möglichkeiten auf diesem Feld gezeigt werden. Diese Zeit war auch für das bessere Kennen lernen und die Integration in die Gruppe vorgesehen. Weiter haben wir uns mit dem Verfassen der Texte beschäftigt. Die Teilnehmer konnten selbst entscheiden, ob sie allein oder in der Gruppetumaczenie_tekstw_400 arbeiten wollen. Es bestand auch die freie Wahl hinsichtlich Textform, Thema und Arbeitsweise. Aus diesem Grund entstanden ganz unterschiedliche Texte, z.B. Erzählungen, Gedichte, ein Interview. Am letzten Tag haben wir die entstandenen Texte jeweils in die andere Sprache übersetzt. Dabei haben wir eng zusammen gearbeitet und uns gegenseitig geholfen. Das hat allen großen Spaß gemacht. Das war auch eine gute Übersetzungsübung, insbesondere weil man jederzeit alles mit den Autoren und Muttersprachlern besprechen konnte. In der verbleibenden Zeit haben wir über Präsentationsmöglichkeiten nachgedacht, Ideen gesammelt und weitere Aufgaben aufgeteilt.


Die Projekt- und Ergebnispräsentation findet in Halle und in Lublin statt. In Polen ist es uns schon gelungen über das Projekt im Radio Centrum zu erzählen. Ausgewählte Texte sind in der Studentenzeitschrift „Głos Humanisty" erschienen. Alle Texte (teksty.pdf / teksty.doc) und ein paar Fotos sind auch auf den Pinnwänden an der UMCS und an der KUL zu sehen. Man kann weiterhin alle Texte auf dieser Internetseite herunterladen (siehe unten).


mehr Fotos zum Projekt- Proszę wsiadać - pisanie kreatywne w autobusie

Projektkoordinator

Andrzej Łobodziński

LobodzinskiA@gmail.com

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Autor: Andrzej Łobodziński
Ostatnia aktualizacja: 19.10.2007, godz. 19:54 - Krystyna Szawłowska